19. Oktober 2022

Gelungener Protest: Zahlreiche Hausarztpraxen schließen sich an

Der Hausärzteverband Baden-Württemberg rief am Mittwoch einen landesweiten Protesttag aus, an dem sich über 400 Hausärzt:innen mit ihren Praxisteams beteiligt haben. Mit der Teilnahme machten sie ihrem Unmut angesichts der Sparpolitik der Bundesregierung Luft. Entsprechend klare Forderungen richteten Verbandsvertreter:innen an die Politik. Im Anschluss nutzten die Teilnehmer:innen der Online-Veranstaltung das Informations- und Fortbildungsangebot für Ärzt:innen und MFA.

 

Zahlreiche Hausarztpraxen in Baden-Württemberg blieben am Mittwochmorgen zugunsten von Fortbildungen geschlossen, der Grund: Die Hausärzt:innen im Land waren zu einem Protesttag des Hausärzteverbands Baden-Württemberg aufgerufen. In ihrer Eröffnungsrede warnten die Vorsitzenden des Hausärzteverband Baden-Württemberg, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Susanne Bublitz davor, dass die extremen Kostensteigerungen dabei sind, die Praxen zu lähmen: "Die ambulante Versorgung steht auf der Kippe", so die Vorsitzenden. Aufgrund immer schlechter werdender Rahmenbedingungen zögen sich Ärzt:innen aus der Versorgung zurück, wodurch der Versorgungsdruck auf die verbleibenden Kolleg:innen jedes Jahr wachse. "Doch eine systematische Aufwertung der hausärztlichen Tätigkeit, um die Versorgung langfristig zu sichern, findet nicht statt", kritisierte Prof. Dr. Buhlinger-Göpfarth.

"Stärkung durch gezielte Förderung der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV)"

Dr. Susanne Bublitz bemängelte, dass die Politik stattdessen versuche, die Finanzdefizite der GKV auf dem Rücken niedergelassener Ärzt:innen auszugleichen. "Mit ihrem Sparkurs gießt die Politik Öl ins Feuer eines noch viel größeren Brandherds: Sie verschärft damit den Hausärztemangel." Die Politik sei dabei, die hausärztliche Versorgung zu zersplittern, beispielsweise durch den unkoordinierten Einsatz von neuen Gesundheitsberufen wie CHN (Community Health Nurse) oder Gesundheitslotsen. "Wo diese akademisierten Gesundheitsberufe bei Fachkräftemangel in allen Bereichen herkommen sollen, beantwortet die Politik leider nicht", so Dr. Bublitz.

Ihre Forderungen an die Politik und die Kostenträger formulierte das Führungsduo des Hausärzteverbands Baden-Württemberg klar: Bürokratie müsse abgebaut und endlich eine sinnvolle und sichere Digitalisierung mit echten Vorteilen für Patient:innen und Ärzt:innen umgesetzt werden. Es fehle an Wertschätzung für Hausärzt:innen und deren Teams. Zudem müsse die hausärztliche Versorgung über eine gezielte Förderung der HZV als Alternative zur Regelversorgung gestärkt werden. Nur durch eine vollständige Nutzung der Potentiale der HZV könne die Versorgung der Bevölkerung in der Fläche sichergestellt werden. Eine weitere Voraussetzung sei zudem ein reeller Inflationsausgleich. Abschließend forderten die Hausärztinnen die Patient:innen auf, sich zusammen mit den Praxisteams für diese Ziele und damit für "eine zukunftsfähige Versorgung" einzusetzen.

"Anfang einer Kampagne"

Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Dr. Nobert Metke, fand klare Worte: "Wir akzeptieren die Bedingungen ab dem heutigen Tag nicht mehr. Es muss eine Wende in der Behandlung der Hausärzt:innen und auch der übrigen Ärzte- und Psychotherapeutenschaft in diesem Land durch dir Politik und durch die Krankenkassen in Berlin, dem GKV-Spitzenverband, stattfinden!" Eine Erhöhung des Orientierungswerts um zwei Prozent bei einer Inflation von zehn Prozent entspräche einem Minus von acht Prozent. Eine Versorgung auf dem heutigen Standard sei damit nicht aufrechtzuerhalten. "Was sich abspielt, ist erstmal der Entzug von Geldern aus dem System." 

Dr. Metke kritisierte den Gesetzentwurf zu Nullrunden in 2023 und 2024 und das GKV-Finanzierungsgesetz, wodurch bei der Ärzteschaft bundesweit eine Einsparung von 500 Millionen Euro erzielt werden soll. "Ein lächerlicher Betrag", so Dr. Metke, wenn man bedenke, dass in Baden-Württemberg 1.4 Milliarden Euro für Abstriche bei symptomlosen Patient:innen während der Corona-Pandemie ausgegeben worden sind. "Wenn gespart wird, dann am Arzt und an den Patienten, nicht an den Strukturen." Dr. Metke bezeichnete den Protesttag daher nur als "Anfang einer Kampagne". Diese müsse so lange fortgeführt werden, bis die Politik verstehe: "Die Versorgung der kranken Menschen im Land kann ohne Hausärzte, insbesondere niedergelassene Ärzte, nicht in der heutigen Qualität und Quantität erhalten bleiben."

"Blinde Flecken durch HonorarCheck entdecken"

Auch Moderator Dr. Jürgen Herbers, Vorstandsmitglied und Fortbildungsbeauftragter des Hausärzteverband Baden-Württemberg, betonte: "Es geht uns nicht ums Geld, sondern darum, die Patientenversorgung zu sichern." Mit dem Beratungsangebot des Hausärzteverbands Baden-Württemberg zur HZV und dem neuen Service HonorarCheck werden Praxisinhaber:innen dabei unterstützt, ihre ökonomische Grundlage zu sichern. Die Services helfen dabei, "blinde Flecken" in der Abrechnung auszumachen, erklärt Dr. Herbers. Anschließend übergab er das Wort an Martin Maier vom Team Praxisberatung und Christine Wollmetshäuser und Johannes Oberle vom HonorarCheck, die den Teilnehmer:innen die Services des Hausärzteverbands Baden-Württemberg vorstellten.

Abgerundet wurde der Protesttag durch Fortbildungsangebote für das Praxisteam zu Themen wie COPD, ACOS, Asthma und zur HZV.                                                             

Rund um den Protesttag

Information für Patient:innen

Protestmaterialien downloaden

 

 

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