15. März 2024

Delegierte fordern Krisengipfel auf Landesebene

Hausärztinnen- und Hausärzteverband Baden-Württemberg, Jan Winkler

Auf der Delegiertenversammlung im Rahmen des 22. Baden-Württembergischen Hausärztetags am 15.03.2024 in Stuttgart richteten die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Baden-Württemberg die klare Forderung nach einem hausärztlichen Krisengipfel an den Landesgesundheitsminister Manfred Lucha und die Kostenträger. Die Delegierten befassten sich außerdem mit zahlreichen Anträgen rund um die hausärztliche Versorgung und beschlossen die Namenänderung in Hausärztinnen- und Hausärzteverband Baden-Württemberg.
 

Hausärztlicher Krisengipfel gefordert

Mit einer großen Mehrheit stimmten die Delegierten dem Leitantrag zu, der die Landespolitik auffordert, zeitnah einen Krisengipfel zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung einzuberufen. Darüber hinaus sind die Kostenträger aufgerufen, mehr in die hausärztliche Primärversorgung zu investieren, um sie zu erhalten. Es brauche Strukturreformen mit folgenden Maßnahmen:

  • Mehr Versorgungssteuerung durch Stärkung der HZV
  • Förderung der Transformation zur Teampraxis im HÄPPI
  • Die hausärztliche Versorgung auf allen Ebenen erhalten und fördern
  • Versorgungsqualität erhalten statt Versorgung zersplittern
  • Digitale Versorgung: Mehrwert statt Sanktionen
  • Perspektiven für Fachkräfte in der hausärztlichen Versorgung sichern

-> Leitantrag der Delegiertenversammlung

-> Offener Brief an Minister Lucha

Budgetierung als zentrales Thema

Die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Baden-Württemberg in der Vertreterversammlung der KVBW haben am 11.03.2024 dem Vorsitzenden der Vertreterversammlung einen Antrag zur Einberufung einer Sondervertreterversammlung zur Problematik der Budgetierung im hausärztlichen Bereich sowie zum Thema zukünftige Sicherstellung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung übergeben. Im Rahmen dieser Sondervertreterversammlung sollen sich alle Verantwortlichen, die KVBW, das Ministerium und die Kostenträger, in einer konsentierten Aktion um die richtige Weichenstellung bemühen, damit die flächendeckende hausärztliche Versorgung erhalten bleiben kann.

Diese Forderung erfolgt vor dem Hintergrund der Ankündigung der KVBW am 6. März 2024, dass die Vergütung für Hausärzt:innen ab dem vierten Quartal 2023 wieder budgetiert wird – eine Praxis, die seit zehn Jahren nicht mehr angewandt wurde. Die Anzahl der offenen Hausarztsitze ist in den letzten vier Jahren um 50 % gestiegen, was zu einem Mangel von rund 1.000 Hausärzt:innen führt. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband sieht darin einen Skandal und fordert eine umfassende Diskussion über die Unterfinanzierung des hausärztlichen Sektors sowie eine Diskussion und Darlegung über die zu erwartenden Auswirkungen für die Hausarztpraxen. Insbesondere Hausarztpraxen ohne mehrheitlichen Anteil eingeschriebener HZV-Patient:innen sind besonders betroffen und müssen zeitnah informiert werden, welche finanziellen Einbußen drohen.

 

Aus dem Hausärzteverband wird der Hausärztinnen- und Hausärzteverband Baden-Württemberg

Im Sinne einer modernen und zeitgemäßen Außendarstellung und einer adäquaten Abbildung der Geschlechter hat die Delegiertenversammlung den Namen des Verbandes in Hausärztinnen- und Hausärzteverband Baden-Württemberg geändert. Mit großer Mehrheit haben die Delegierten der dafür notwendigen Satzungsänderung zugestimmt. Damit folgt die Delegiertenversammlung dem Bundesverband, der sich im vergangenen Jahr in Hausärztinnen- und Hausärzteverband umbenannt hat. Die Namensänderung wird mit der Eintragung im Vereinsregister rechtskräftig.

 

Förder- und Probemitgliedschaft neu gefasst

Die Delegierten beschlossen die Konkretisierung der Fördermitgliedschaft und führten eine Probemitgliedschaft ein. Diese Mitglieder genießen nicht das volle Spektrum an Mitgliederrechten. So sind sie von Wahlen, der Übernahme von Verbandsämtern sowie von Stimm- und Antragsrechten in der Delegiertenversammlung ausgeschlossen. Probemitglieder sind zudem von der Beitragspflicht befreit.

 

Förderung der zukunftsfähigen hausärztlichen Versorgung

Als Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) übernehmen hochqualifizierte Medizinische Fachangestellte delegierbare, nichtärztliche Aufgaben und tragen so zur Sicherstellung der Patientenversorgung bei. Diese Leistung wird in fast allen HZV-Verträgen mit Zuschlägen vergütet. Die akademische Weiterbildung der VERAH zur PCM (Primary Care Managerin) bietet einen weiteren alternativen Baustein, um die hausärztliche Versorgung breiter aufzustellen. Damit dies für die Praxen finanzierbar bleibt, fordern die Delegierten alle Krankenkassen auf, einen Teampraxenzuschlag einzuführen (analog zu den Verträgen mit der AOK und der GWQ). Dies sei notwendig, um künftig die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung weiter zu ermöglichen. Für mehr interprofessionelle Zusammenarbeit beauftragen die Delegierten den Vorstand außerdem, das Teampraxiskonzept anhand konkreter Beispiele und Erfahrungen erlebbar zu machen.

 

Kodex für die Anstellung von Hausärzt:innen verabschiedet

Die Delegiertenversammlung empfiehlt den anstellenden und angestellten Mitgliedsärzt:innen, sich am Kodex Anstellung zu orientieren. Anstellende Mitgliedsärzt:innen bekommen die Möglichkeit, ihre freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Empfehlungen über die Website des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands transparent zu machen. Der Kodex gibt konkrete Empfehlungen zu Aspekten wie Zusammenarbeit, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses, Gehälter, Urlaube etc.

 

Gemeinsames Bekenntnis gegen Ausgrenzung

Der Delegierten bekräftigten ihr Engagement für ein Arbeitsumfeld und eine Patientenversorgung, die von Vielfalt und Toleranz geprägt sind. Die Gleichbehandlung aller Menschen, unabhängig von Nationalität oder anderen Merkmalen, wird als Grundprinzip hervorgehoben. Die Stärke der Gemeinschaft wird in der Vielfalt gesehen, die als wesentlich für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung betrachtet wird. Die Delegiertenversammlung verpflichtet sich, für demokratische Werte und die Unantastbarkeit der Menschenwürde einzustehen und gesellschaftliches Engagement über die medizinische Versorgung hinaus zu zeigen.

 

Lücke schließen: Änderung der Anmeldekriterien zur Facharztprüfung Allgemeinmedizin

Die Versammlung fordert eine Änderung der Weiterbildungsordnung (WBO), um eine Vorabprüfung und Terminierung des Facharztgesprächs in den letzten Monaten der Weiterbildung zu ermöglichen. Dies soll die berufliche Unsicherheit und finanziellen Einbußen zwischen dem Ende der Weiterbildung und dem Erhalt des Facharztstatus verringern. Die Forderung beinhaltet die Anmeldung zur Facharztprüfung im letzten Halbjahr der Weiterbildung und die zeitnahe Erlangung des Facharztstatus nach Nachweis der Weiterbildungszeit.

 

Automatische Hinweise auf fehlende Medikamente in PVS

Die Delegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Baden-Württemberg, fordert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf, sicherzustellen, dass die Arzneimittel-Datensätze in den Praxis-Verwaltungssystemen (PVS) automatisch auf aktuell fehlende Medikamente hinweisen. Diese Funktion soll ohne zusätzliche Kosten implementiert werden. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme ergibt sich aus dem täglichen, zeitaufwendigen Kontakt mit Apotheken wegen nicht lieferbarer Medikamente, was den Praxisablauf stört. Trotz politischer Versprechen verschlechtert sich die Situation weiterhin.

 

Stärkung der Gesundheitskompetenz

Die DV fordert den Vorstand auf, sich auf verschiedenen Ebenen für die Bedeutung der Gesundheitskompetenz einzusetzen. Dies soll insbesondere durch verpflichtende Informationen zu nichtmedikamentösen Maßnahmen geschehen. Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung zu stärken und somit die Patientenversorgung wirtschaftlicher und ressourcenschonender zu gestalten. Die Kenntnis nichtmedikamentöser Optionen soll in Gesundheitsinformationen, Packungsbeilagen und ärztlichen Fortbildungen verstärkt werden.

 

Förderung von Deprescribing-Strategien

Der Vorstand wird von den Delegierten dazu verpflichtet, sich für die Integration von Informationen zu Deprescribing bzw. Absetzstrategien als verpflichtenden Bestandteil in Medikamenteninformationen einzusetzen. Dies soll insbesondere bei der Einführung neuer Medikamente in Gesundheitsinformationen, Packungsbeilagen und ärztlichen Fortbildungen geschehen. Die Begründung für diesen Beschluss liegt im Schutz der Patient:innen und der Stärkung ihrer Gesundheitskompetenz. Zudem wird eine wirtschaftliche und ressourcenschonende Patientenversorgung angestrebt.

Weitere Informationen: 
-> Pressemitteilung zur Delegiertenversammlung
-> Berufspolitische Diskussion zur Zukunft der ambulanten Primärversorgung
-> HÄPPI: Das Versorgungskonzept geht in die Pilotphase
-> Pressemitteilung zur HÄPPI-Pilotierung
-> Elevator-Pitch: Digitale Helfer im HÄPPI

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