21. Juni 2023

3000 Protestierende einig: "Jetzt reicht's!"

Hausärzteverband Baden-Württemberg

Der Hausärzteverband Baden-Württemberg hatte am Mittwoch, 21. Juni 2023, gemeinsam mit MEDI Baden-Württemberg und anderen Berufsverbänden zum Protest der niedergelassenen Ärzteschaft und Psychotherapeut:innen aufgerufen. Rund 3000 Teilnehmer:innen waren dem Ruf gefolgt, um ihrem Unmut gegen die Fehlentscheidungen der Politik lautstark Luft zu machen.  
 

"Ärzteprotest – jetzt reicht’s", skandierten die rund 3000 Protestierenden trotz sengender Hitze auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Mit Bannern und Protestplakaten verliehen sie ihrer Kritik und ihren Forderungen an die Gesundheitspolitik Ausdruck. "Wir demonstrieren heute hier mit den unterschiedlichen Fachgruppen, um der Politik klarzumachen: Wir sind nicht mehr bereit, zuzusehen, wie die ambulante Versorgung sukzessive geschwächt und im Regen stehengelassen wird", sagte Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth in einer gemeinsamen Rede mit Dr. Susanne Bublitz, beide Vorstandsvorsitzende des Hausärzteverbands Baden-Württemberg.

Die Liste der von Prof. Dr. Buhlinger-Göpfarth aufgeführten Missstände war lang: "Fehlende Strukturreform und fehlende Steuerung im Gesundheitswesen. Stattdessen maximaler Verbrauch nicht mehr vorhandener Ressourcen im ambulanten Bereich. Versorgungsdruck, der täglich anwächst und Praxisteams krank macht. Überbordende Bürokratie, die uns die Zeit für unsere Patient:innen raubt. Zwangsdigitalisierung, die uns zu Versuchslaboren für nicht funktionierende digitale Anwendungen macht. Fehlende Wertschätzung unserer Arbeit und der Arbeit unserer Praxisteams." 

Die Vorstandvorsitzende kritisierte das Versagen der Politik scharf und machte unmissverständlich klar: "Wenn sich die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit in der nächsten Zeit nicht entscheidend verbessern, sind wir die letzte Generation niedergelassener Ärzte. Während andere kleben, bluten wir aus!" 

Dass Hausärzt:innen und Praxisteams ihre Bedeutung für die medizinische Versorgung der Gesellschaft zu Genüge unter Beweis gestellt haben, machte Dr. Susanne Bublitz unter immer wieder aufbrandendem Beifall deutlich. "Wir haben die Pandemie gemeinsam unter extremen Bedingungen gemeistert. Mehr als 9 von 10 Corona-Patient:innen sind abschließend in unseren ambulanten Praxen versorgt worden, nicht in der Klinik." Doch anstatt diese Leistung zu honorieren, würden genau diese Strukturen abgebaut, durch die die Krise bewältigt werden konnte.

Auch auf dem Arbeitsmarkt haben die Entscheidungen der Politik weitreichende Konsequenzen. "Finanziell stehen wir im Kampf um Fachkräfte mit dem Rücken an der Wand. In direkter Konkurrenz zu den Kliniken, deren Personal im Gegensatz zu unseren Mitarbeiter:innen steuerfinanzierte Boni erhält und deren Gehaltssteigerungen vom Staat gestützt werden, während wir in der Regelversorgung Nullrunden angeboten bekommen, können wir nur verlieren", so Dr. Susanne Bublitz.

Anstatt mit echtem Engagement eine hausärztliche Zukunft zu schaffen, wolle man immer mehr Leistungen aus den Praxen nehmen und auf andere Akteure verteilen – auf Akteure, die überhaupt nicht zur Verfügung stünden. "Wir fordern daher: Die ambulante Versorgung darf nicht zersplittert werden, sondern muss gestärkt werden, damit auch in Zukunft alle Patientinnen und Patienten gut versorgt werden und diese Versorgung muss die Politik gemeinsam mit uns gestalten."

Der MEDI-Vorstandsvorsitzende Dr. Werner Baumgärtner kündigte an: "Wir fangen erst an! Wir müssen laut werden. Etwas anderes versteht die Politik nicht." Dabei machte er klar: "Wir sind keine Angestellten des Staates. Das muss die Politik zur Kenntnis nehmen!"

Ihre Unterstützung bekundeten die Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Dr. Doris Reinhardt und Dr. Karsten Braun, auch symbolisch mit einem großen Paket, das die Aufschrift "Solidarität" trug. "Sie versorgen mit Ihren Praxisteams in einer Woche in Deutschland so viele Patienten wie die Krankenhäuser in einem Jahr", so Dr. Braun.

Auch die Vetreter:innen anderer Berufsverbände fanden klare Worte. Sie forderten von der Politik unter anderem eine faire Bezahlung der Ärzteschaft und ihrer Teams durch Entbudgetierung, eine angepasste zeitgemäße Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) sowie die Nachwuchsförderung für Gesundheitsberufe.

 

Bilder: Hausärzteverband Baden-Württemberg, Ronny Schönebaum

 

Zurück Alle News

Ähnliche Beiträge