07. November 2022

Diagnosen dokumentieren – Einzelfallprüfungen vermeiden

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Wird bei der Verordnung von Arzneimitteln die zugrundeliegende Diagnose nicht in der Patientendokumentation hinterlegt, kann das insbesondere bei ökonomisch problematischen Arzneimitteln zu Einzelfallprüfungen und Regressen führen. Da die Zahl solcher Einzelfallprüfungen steigt, informieren wir Sie im Folgenden umfassend zu dem Thema.
 
 
Art und rechtliche Grundlage der Prüfungen

Prüfungen gemäß SGB V §106 ff teilen sich im Bereich der Arzneimittel einerseits in Prüfungen "von Amts wegen", also anlasslose statistische oder gesamthaft auffälligkeitsbezogene Prüfungen, oder in Einzelfallprüfungen auf. Die Grundlage der Prüfung ist die auf der gesetzlichen Grundlage geschlossene Prüfvereinbarung der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Umgesetzt wird die Prüfvereinbarung durch die Gemeinsame Prüfeinrichtung (GPE).

Einzelfallprüfung kurz erklärt

Die statistischen Prüfungen sind so gut wie bedeutungslos geworden und spielen kaum mehr eine Rolle bei aktuellen Regressverfahren. Wesentlich entscheidender sind die Einzelfallprüfungen geworden. Diese Art der Prüfung ist antragsbasiert. Das bedeutet, dass z. B. eine Krankenkasse ein mögliches Fehlverhalten eines Arztes identifiziert und diesen Sachverhalt bei der GPE einreicht. Dort wird ermittelt, ob tatsächlich ein Fehlverhalten vorliegt und wenn ja, wie hoch der Schaden ist. Die Schadensermittlung berücksichtigt dann verschiedene Faktoren, um dem Echtschaden möglichst zu entsprechen. Bei einer Einzelfallprüfung (§§ 8 und 9 der Prüfvereinbarung) handelt es sich um einen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten. Eine Kernpflicht ist hierbei die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach SGB V § 12. Aufs Wesentliche reduziert, geht es darum, dass Ärzt:innen nur Leistungen veranlassen dürfen, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Diese Leistungen dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Hierbei kann das "Notwendige" und das "Ausreichende" durchaus als Gegenteil von dem "Maximalen" verstanden werden. Es geht dabei um Leistungen, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, quasi um "durchschnittliche" Medizin im Sinne der Erfahrungswerte und des wissenschaftlichen Konsenses.

Dokumentation der verordnungsbegründenen Diagnose

Eine Eigenart von Einzelfallprüfungen ist das Abstellen auf vermeintlich fehlende Gründe für die Veranlassung der Leistung. Wenn der Arzt beispielweise ein Antidiabetikum verordnet, dann ist dies in der Logik der Einzelfallprüfungen nicht etwa ein Indikator dafür, dass der Versicherte eine diabetische Erkrankung hat, sondern es wird nach eben der diabetischen Erkrankung in den Diagnosedaten des Versicherten gesucht. Findet sich keine entsprechende Erkrankung, gilt die Verordnung regelmäßig als nicht notwendig und führt ggf. zu einer Einzelfallprüfung und einem entsprechenden Regress, mindestens aber zu Prüfaufwand und zusätzlicher Bürokratie. Achten Sie daher bei der Verordnung von Medikamenten wie z.B. Asthma-/COPD-Arzneimitteln und im Bereich der Insulin-/Insulinanaloga-Arzneimittel auf die Hinterlegung der verordungsbegründenden Diagnose. Ist dies nicht der Fall und eine Einzelfallprüfung führt zu einem Regress, ist es wichtig, dass der betroffene Arzt oder die betroffene Ärztin die Widerspruchsmöglichkeiten innerhalb der genannten Frist wahrnimmt, damit eine Korrektur erfolgen kann. 

Auch Selektivvertragsfälle sind von dieser Systematik betroffen. Hier gilt also gleichermaßen: Es ist wichtig, eine Diagnose als Behandlungsdiagnose zu verwenden, wenn eine diesbezügliche Verordnung vorgenommen wurde, selbst wenn es sich beispielsweise ausschließlich um eine Wiederholungsverordnung handelt – auch und gerade im Vertretungsfall. Verwechslungen (z. B. Asthma und COPD) müssen vermieden werden, insbesondere wenn eine Zulassung oder Nutzenbewertung eines Arzneimittels für das eine oder das andere Krankheitsbild nicht gegeben ist. Aber auch andere veranlasste Leistungen sollten jeweils mit einer medizinisch passenden Behandlungsdiagnose in der Dokumentation der Patient:innen berücksichtigt werden.

Keine Beratung vor Regress

Insgesamt ist auch in Baden-Württemberg spürbar und sichtbar, dass die Einzelfallprüfungen zunehmen und teilweise hohe Summen in diesen Anträgen zurückgefordert werden. Anders als bei statistischen Prüfungen gibt es bei Einzellfallprüfungen auch keine Beratung vor Regress. Der Schaden wird in voller Höhe und unmittelbar fällig. Auch eine Existenzgefährdung ist für diese Art von Regressen kein Abwehrgrund. Der Hausärzteverband Baden-Württemberg bzw. die HÄVG ist kein Verfahrensbeteiligter – auch nicht für die Selektivvertragsfälle. Ausschließlich die Krankenkassen und deren Verbände sowie die KVBW sind verfahrensbeteiligte Organisationen. Wir erhalten die Information über einen Regress meist erst, wenn er bereits rechtskräftig ist. Dann wird zumindest für die AOK-BW der selektivvertragliche Anteil (aufgeteilt nach Anzahl Behandlungsfälle, übermittelt von der Krankenkasse) durch die HÄVG von den betroffenen Ärzt:innen mit dem Angebot der Honorarverrechnung eingefordert. Die HÄVG ist hierbei nur Zahlstelle.

Arzneimittelmodul in der HZV

Die HZV versucht durch das Arzneimittelmodul Hinweise zur Verordnung zu geben und wird im Ausbau des Moduls auch die Herausforderung behandlungsbegründender Diagnosen berücksichtigen. Grundsätzlich bedarf es aber der Sorgfalt der Ärzt:innen bei der Verordnung, um sicherzugehen, dass alle relevanten gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.

 

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