12. Juli 2022

Kandidatur mit klarem Versorgungs-Fokus

Jan Winkler; iStock/Kobus Louw

Ärzte Zeitung

Bildbeschreibung
Dr. Doris Reinhardt
Vorstandsmitglied im Hausärzteverband Baden-Württemberg und
Kandidatin für den Vorstand der KVBW
       
 

Die KV Baden-Württemberg steht vor einem Führungswechsel bei den KVWahlen. Für den Hausärzteverband bewirbt sich Dr. Doris Reinhardt um den Topjob. Sie zeigt sich offen für Kooperation mit anderen Berufsgruppen – bei klaren Bedingungen.

Ende einer Ära in Sicht: Bei den KV-Wahlen in Baden-Württemberg ab Mitte Juli wird ein neuer KVVorstand bestimmt – Dr. Norbert Metke und sein Vize Dr. Johannes Fechner treten nicht erneut an. Bereits Ende 2021 hat MEDI mit dem Orthopäden Dr. Karsten Braun einen eigenen Kandidaten nominiert. Für den Hausärzteverband bewirbt sich Dr. Doris Reinhardt um den Vorstandsvorsitz. Reinhardt ist Jahrgang 1962 und seit 1993 in einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis in Friesenheim (Ortenaukreis) niedergelassen. In der ärztlichen Berufspolitik ist sie tief verwurzelt – als Vorstandsmitglied im Hausärzteverband Baden-Württemberg und der Landesärztekammer genauso wie als Notfalldienstbeauftragte der KVBW. Für die Hausärztin ist das eine Grundqualifikation für den Topjob: „Eine gute KV-Vorstandschefin sollte bei jeder Entscheidung wissen, dass sie diese für alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten trifft“, sagt Reinhardt im Gespräch mit der Ärzte Zeitung. „Deshalb ist es günstig, wenn man aus der Versorgung kommt und die Auswirkungen abschätzen kann.“

„Kooperativer Führungsstil“

Ein Schlüsselmoment ist für die 59- Jährige die Reform des Bereitschaftsdienstes gewesen, berichtet Reinhardt. Sie habe dabei „die Erfahrung der Selbstwirksamkeit“ gemacht und gemerkt, dass man „in der Selbstverwaltung tatsächlich gestalten kann“. Die KVBW in ihrer derzeitigen Verfassung sieht Reinhardt „strukturell hervorragend aufgestellt“. Metke und Fechner hätten seit mehr als zehn Jahren „einen kooperativen Führungsstil vorgelebt. Ihr Kompagnon im Vorstandsamt, wünscht sich die Hausärztin, sollte im Idealfall die ihr wichtigen Werte teilen: „Loyalität, Offenheit und die Fähigkeit, ein kritisches Gegenüber zu sein.“ Das ermögliche dann „gelingende Kooperation“. Der künftige Vorstand, der Anfang 2023 sein Amt antritt, werde massiv mit den Folgen des „Seehofer-Erbes“ zu tun haben – also den vielen Kolleginnen und Kollegen, die bald in Rente gehen, inklusive der Sicherstellungsprobleme. In ihrer Gemeinde mit 20 000 Einwohnern höre gerade der dritte hausärztliche Kollege auf, „Nachfolger leider Fehlanzeige“.

Absehbare Arbeitsverdichtung

Ärzte sowie Praxisteams spürten die Folgen, weil gleichzeitig auch noch Morbidität und Versorgungstiefe in den Praxen zunähmen. Die Praxen müssten einerseits auf diese absehbare Arbeitsverdichtung vorbereitet werden, fordert Reinhardt. „Zum anderen müssen wir auch der Bevölkerung das Signal geben, dass wir stärker nach medizinischer Dringlichkeit priorisieren müssen.“ Konzepte für die Versorgung von morgen, seien sie aus der Landesoder aus der Bundespolitik, bewertet Reinhardt konsequent aus der Versorgungsperspektive: Beispiel Primärversorgungszentren, die von der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg beworben werden. Hinter diesen Konzepten stehe die Vorstellung, dass man Versorgungsabläufe „beliebig zerlegen oder atomisieren kann“. Das hält die Hausärztin für „Feldblindheit“. Der bloße Kooperationswunsch, der in diesen Konzepten artikuliert wird, reiche ihr nicht: „Ich würde gern wissen: Wer ist für was verantwortlich? Wer haftet für was? Wer gewährleistet auch nachts oder am Wochenende die Versorgung? Ich lehne diese Konzepte nicht ab, mahne aber mehr Steuerung der Versorgung an, und zwar ‚24/7‘. Dann können wir gerne über mehr Kooperation reden“, sagt Reinhardt.

Anstellung und sonst nichts? Falsch!

Klare Kante signalisiert die Hausärztin beim Thema Anstellung. Das Narrativ, angesichts der „Feminisierung der Medizin“ sei diese quasi alternativlos, verzeichnet Reinhardt als „stark verkürzt“. Hier will sie „konsequent dagegenhalten“: „Die Herausforderung besteht darin, Arbeitsformen zu entwickeln, in den junge Ärztinnen und Ärzte freiberuflich tätig sind und trotzdem nicht 60 Stunden pro Woche arbeiten müssen.“ Versorgungsorientiert ist Reinhardts Ansatz auch beim Thema Delegation und Integration anderer Gesundheitsfachberufe. Gewiss könne man eine MFA oder Angehörige anderer Gesundheitsfachberufe für bestimmte Aufgaben qualifizieren, sagt sie. Dabei gelinge Delegation umso besser, je standardisierter bestimmte Abläufe in der Praxis sind. „Nur ist die Komplexität in der hausärztlichen Versorgung eine besondere“, gibt sie zu bedenken. Mit der VERAH, der Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis, sei es gelungen, ein sehr erfolgreiches Delegationsmodell zu etablieren. Reinhardt geht mit der Kandidatur bewusst ins Risiko. Ihre Praxis gibt sie Ende des Jahres ab, unabhängig vom Ausgang der Wahl. Es sei erfreulicherweise gelungen, Ärzte in Weiterbildung für die Praxisübernahme zu gewinnen. „Für mich endet damit nach 30 Jahren ein Lebensabschnitt.“

Quelle: Springer Medizin Verlag GmbH / Ärzte Zeitung

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