01. April 2022

Hausarzt-Patientenmagazin: Gesundheitskompetenz – was ist das?

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Hausarzt-Patientenmagazin  |  Q2 Ausgabe

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Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth
1. Vorsitzende
       
 

Die Verfügbarkeit und die Fülle der Informationen zum Thema Gesundheit im Internet nimmt immer mehr zu. Gleichzeitig fällt in den Sprechstunden auf, dass die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten abnimmt. Früher selbstverständliches Wissen um die Behandlung bei leichten Gesundheitsstörungen scheint immer mehr verloren zu gehen. Dafür wird „Dr. Google“ bemüht, was häufig eher verunsichert. Kaum einer scheint mehr zu wissen, dass man bei Fieber etwa Wadenwickel versuchen kann, bevor man den Notdienst bemüht. Notaufnahmen werden immer häufiger wegen Bagatellerkrankungen geflutet, Fahrdienste beschäftigen sich tief in der Nacht mit Beratungsanlässen wie ,,Schmerzen im mittleren Fußgewölbe“. Offenbar fällt vielen die Einordnung zunehmend schwerer, was in einen Notdienst gehört.

Gesundheitskompetenz ist die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag angemessene Entscheidungen treffen zu können. Gesundheitskompetenz basiert auf allgemeiner Bildung. Da das Bildungsniveau seit Jahren abnimmt, erstaunt es nicht, dass viele Menschen in Sachen Gesundheit nicht kompetenter werden. Schaut man auf die Studienlage, wird klar, dass eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz negative Auswirkungen hat. Betroffene zeigen oft ungesundes Verhalten, wie geringere Bewegung und schlechtere Ernährung, sie leiden häufiger an Übergewicht, weisen mehr Fehltage am Arbeitsplatz auf und nutzen das Gesundheitssystem häufiger, indem sie Notdienste aufsuchen. Das hat ökonomische Konsequenzen: Die intensivere Nutzung des Gesundheitssystems führt zu steigenden Kosten.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland beim Thema Gesundheitskompetenz nur im Mittelfeld, weit abgeschlagen hinter Ländern wie Slowenien oder Griechenland. Besonders Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und Menschen mit Migrationshintergrund schneiden schlechter ab. Der Hausärzteverband verlangt daher in einem Forderungspapier an die Politik, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken. In Deutschland wurden bisher nur eine Handvoll Studien zu Gesundheitskompetenz in Auftrag gegeben. Darunter die GEDA-Studien am Robert Koch-Institut. Die Ergebnisse sind teilweise überraschend. So findet sich im Gegensatz zu internationalen Studienergebnissen kein signifikanter Geschlechterunterschied.

Gefühlt würde ich Frauen höhere Gesundheitskompetenz bescheinigen. Frauen sind seit Jahrtausenden die Gesundheitsministerinnen in ihren Familien. Sätze wie ,,Wasch dir die Hände!“ oder: ,,Hast du die Zähne geputzt?“ haben wir meist von den Müttern gehört. Frauen sind noch immer mehrheitlich für das Einkaufen, die Ernährung und bei Erkrankung zuständig. Schaut man sich das GEDA-Studiendesign genauer an, zeigt sich, dass im Wesentlichen ein Selbstfragebogen verwendet wurde. Personen wurden gefragt, wie sie ihre Gesundheitskompetenz einschätzen in Bezug darauf, Informationen zu erlangen, zu verstehen oder diese anzuwenden. Könnte es sein, dass gerade Männer hier kurz überlegt und dann angekreuzt haben: Kann ich! Die tatsächliche Fähigkeit zeigt sich dann beim nächsten Männerschnupfen. Ich finde, es tut dringend not, das Thema Gesundheitskompetenz bereits früh in den Bildungsplänen zu verankern, besser zu beforschen und die Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten nachhaltig zu stärken.

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