15. Mai 2023

Konferenz zur Frauengesundheit fordert gendersensible Medizin

Hausärzteverband Baden-Württemberg

Um Frauen und Männer gleichermaßen gut medizinisch versorgen zu können, muss die geschlechtersensible Medizin mehr Gewicht in Forschung, Lehre und der medizinischen Praxis erhalten. Zu diesem Schluss kamen am Freitag die Teilnehmenden an der Frauengesundheitskonferenz in Stuttgart.
 

Initiiert hatte die Veranstaltung der Landesfrauenrat Baden-Württemberg in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Baden-Württemberg. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Referentinnen aus Gesundheitswesen, Politik und Gesellschaft waren der Einladung gefolgt, um in Vorträgen und Workshops die Ansätze und Herausforderungen der geschlechtersensiblen Medizin vorzustellen und die Bedarfe für eine gestärkte Gesundheitsversorgung von Frauen zu ermitteln. Wichtige Aspekte bei der Betrachtung der psychischen und physischen Gesundheit waren unter anderem Selbstbestimmung – in Verbindung mit Paragraf 218 Strafgesetzbuch zum Schwangerschaftsabbruch –, aber auch Selbstfürsorge und Vernetzung von Frauen. 

Warum und inwieweit Geschlechterunterschiede bei der Diagnostik und Behandlung von Krankheiten in der hausärztlichen Praxis berücksichtigt werden müssen, machte die Vorsitzende des Hausärzteverbands Baden-Württemberg Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth deutlich: „Die gendersensible Medizin ist ein relativ neues Forschungsfeld, das sich damit befasst, wie sich biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf die Gesundheit auswirken." Zwar seien die Geschlechterunterschiede in der Gesundheit schon seit Langem bekannt, trotzdem gebe es bisher kaum geschlechtersensible Untersuchungen und Daten. Als Grund führte die Vorstandsvorsitzende unter anderem den Contergan-Skandal auf, infolgedessen Frauen 1977 durch die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA von frühen klinischen Prüfungen der meisten Arzneimittel ausgeschlossen wurden. Erst seit 2022 ist die Ermittlung eventueller Geschlechterunterschiede im EU-Recht verankert.

„Männer und Frauen werden häufig anders krank und müssen daher auch unterschiedlich behandelt werden“, sagte Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth. Die Ursachen hierfür seien in der Genetik, im Hormonhaushalt, im Körperbau und auf zellulärer Ebene zu finden, aber auch soziokulturelle Aspekte spielten eine Rolle. Doch trotz des Wissens um diese Unterschiede werde die geschlechtersensible Medizin nicht im notwendigen Maß vorangetrieben. In der Arzneimittelentwicklung werde zu 70 Prozent an männlichen Mäusen geforscht und auch später im Verfahren würden Arzneimittelmittel hauptsächlich an jungen Männern getestet. „Frauen sind maximal in einem Drittel der klinischen Studien beteiligt.“

Um eine geschlechterangepasste Versorgung gewährleisten zu können, muss die geschlechtersensible Medizin vorangetrieben werden. Darin waren sich die Referentinnen und Teilnehmerinnen der Frauengesundheitskonferenz einig. Sie forderten in Vorträgen und Workshops, dass die Gendermedizin einen festen Platz in der Forschung erhält und dass es verbindliche Vorgaben für die Arzneimittelforschung und klinische Studien gibt. „Nur so kann es gelingen, dass Mann und Mäuserich nicht weiterhin das Maß aller Dinge sind“, so Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth.

 

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