29. Juni 2023

Spiritual Care in der hausärztlichen Praxis

iStock/seb_ra

Die spirituelle Dimension in der medizinischen Versorgung älterer Patient:innen wird oft vernachlässigt, obwohl viele Patient:innen sich eine Berücksichtigung wünschen. Die HoPES3-Studie untersucht, wie sich eine Erweiterung der Disease-Management-Programme um spirituelle, soziale und Selbstfürsorge-Aspekte auf die Patientenversorgung auswirkt, erklärt Prof. Dr. Eckhard Frick, Professor für Spiritual Care und psychosomatische Gesundheit am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Die Ergebnisse werden auf der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Gesundheit und Spiritualität (IGGS) vorgestellt und es werden praktische Fähigkeiten zur Erhebung der spirituellen Anamnese vermittelt.

Bildbeschreibung
Prof. Dr. med. Eckhard Frick sj
Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychiatrie, Psychoanalytiker, Priester, Professor für Spiritual Care und psychosomatische Gesundheit am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, erster Vorsitzender der IGGS
       
 

Die Definitionen von Spiritualität und spirituellen Bedürfnissen sind heterogen, haben aber oft vier Attribute gemeinsam:

  • Verbundenheit (zum Beispiel mit der Familie verbunden sein)
  • Transzendenz (zum Beispiel in die Natur eintauchen, beten)
  • Frieden (zum Beispiel inneren Frieden empfinden)
  • Lebenssinn (zum Beispiel Lebenserfahrungen weiterzugeben, sicher zu sein, dass das eigene Leben einen Sinn hat)

Mehrere qualitative Studien zeigen, dass insbesondere die spirituelle Dimension in der Versorgung vernachlässigt wird, insbesondere was ältere Menschen angeht. Ärzte und Ärztinnen beschreiben Hemmungen, das Thema Spiritualität proaktiv anzusprechen, weil sie fürchten, dass ein solches Gespräch ihre zeitlichen Kapazitäten überschreiten würde, aber auch aufgrund von Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden und aus Angst vor einer ablehnenden Reaktion der Patientinnen. Dies zeigen multinationale Studien innerhalb des Netzwerks für Forschung in Spiritualität und Gesundheit (NERSH.org). Viele Patienten hingegen wünschen sich jedoch, dass auch ihre spirituelle Dimension in ihrer medizinischen Versorgung berücksichtigt werden.

Die HoPES3-Studie (hopes3.de) ist eine Kooperation der allgemeinärztlichen Universitäts-Institute Heidelberg und Tübingen mit der Professur für Spiritual Care und psychosomatische Gesundheit am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (spiritualcare.de).

Ziel des „Holistic Care Program for Elderly Patient to Integrate Spiritual Needs, Social Activity and Self-Care into Disease Management  in Primary Care“ (HoPES3) war es, zu untersuchen, wie sich eine Erweiterung der DMP um diese Aspekte auf die Patientenversorgung auswirkt.

Im Rahmen von HoPES3 wurde eine komplexe hausärztliche Intervention entwickelt und in einer cluster-randomisierten Studie mit 24 teilnehmenden Hausarztpraxen evaluiert und im Deutschen Ärzteblatt publiziert (Sturm, Krisam et al. 2022).  Zielgruppe waren multimorbide Patientinnen mit Polypharmakotherapie ab einem Alter von 70 Jahren. Die komplexe Intervention zielte darauf ab, das Bewusstsein der Patienten für ihre persönlichen Kraftquellen zu steigern und Selbstfürsorge und soziale Aktivität zu stärken. Die Intervention bestand aus drei Kernelementen: Zunächst führten geschulte Hausärztinnen im Rahmen eines DMP-Termins einmalig eine spirituelle Anamnese nach dem Gesprächsmodell SPIR durch, anschließend erhielten die Patientinnen von einer ebenfalls geschulten MFA einmalig eine Beratung zu Hausmitteln und zu sozialen Angeboten für Senioren in der Region.

Im Rahmen der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Gesundheit und Spiritualität (iggs-online.org) werden die Ergebnisse und Möglichkeiten der Umsetzung in die Praxis vorgestellt (29.9.-1.10. Heinrich-Pesch-Haus Ludwigshafen). Ärzte und Medizinische Fachangestellte sind zu einem Pre-Conference-Workshop am 29.9. eingeladen, bei dem praktische Fähigkeiten in der Erhebung der spirituellen Anamnese vermittelt werden. 

Tagung: Spiritual Care in der hausärztlichen Praxis
29. September bis 1. Oktober 2023

Heinrich Pesch Haus
Katholische Akademie Rhein-Neckar
Ludwigshafen am Rhein

Programm und Anmeldung

Sturm N, Krisam J, Szecsenyi J, Bentner M, Frick E, Mächler R et al. (2022) Spiritualität, Selbstfürsorge und soziale Aktivität in der hausärztlichen Versorgung älterer Patienten. Deutsches Ärzteblatt International 119:124–131.

 

 

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