18. April 2023

„Krankenhausreformen nicht auf dem Rücken der niedergelassenen Ärzt:innen austragen“

Die Vorsitzenden des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Susanne Bublitz, kritisieren die Vorschläge der Expertenkommission der Bundesregierung zur Reform der Notaufnahmen und Rettungsdienste:
 

„Wir Hausärzt:innen haben große Bedenken in Bezug auf die Vorschläge der Expertenkommission der Bundesregierung rund um die Reform von Notaufnahmen und Rettungsdiensten.

Die Kommission schlägt unter anderem vor, dass „Integrierte Notfallzentralen (INZ)“ eingerichtet werden sollen, die an Kliniken des Levels 2 wochentags von 14:00 bis 22:00 Uhr, am Wochenende und feiertags von 09:00 bis 21:00 Uhr durch Kassenärzt:innen im Pflichtdienst besetzt werden soll. An Kliniken der Stufe 3 sogar rund um die Uhr. Außerdem soll der aufsuchende KV-Bereitschaftsdienst zu einem flächendeckenden 24/7-Angebot ausgebaut werden. Wir Hausärzt:innen stemmen bereits jetzt als größte Gruppe den Notdienst und wir befürchten eine dramatische Verschlechterung der Primärversorgung im Land, sollte diese Reform umgesetzt werden.

Wenn man bedenkt, dass der eigentliche Zweck einer Notfallversorgung die Abwendung von lebensbedrohlichen Schäden für die Gesundheit der Patient:innen ist, muss hier eher von einer massiven Ausweitung und Klinikzentrierung der Regelversorgung gesprochen werden. Das heißt für uns: Während der Regelzeiten werden wir unsere Praxen schließen müssen, um eine „Notfallversorgung“ zu übernehmen, die wir in unseren Praxen viel besser machen könnten und auch jetzt schon leisten.

Vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt rund 800 Hausärzt:innen in Baden-Württemberg fehlen, stellt sich die Frage, wer die zusätzlichen Dienste übernehmen kann. Verschärfend kommt hinzu, dass laut der Kommission der KV-Bereitschaftsdienst nur noch von Allgemeinmediziner:innen und wenigen Gebietsfacharztgruppen wie Chirurgie und Anästhesie besetzt werden soll. Dies schränkt die Zahl der Ärzt:innen, die Notdienste leisten können, massiv ein.

Wenn es nach dem Willen der Kommission geht, leisten in Zukunft also deutlich weniger Ärzt:innen zusätzliche Notdienste und das neben der Sicherstellung der Regelversorgung. Diese Rechnung kann nicht aufgehen und würde dazu führen, dass die niederschwellig wohnortnahe Versorgung in den Praxen zugunsten eines klinikzentrierten Ansatzes destabilisiert wird.

Das eigentliche Problem der Notdienste, nämlich die ungesteuerte Inanspruchnahme durch Patient:innen mit niedriger Behandlungsdringlichkeit, die in die Regelversorgung gehören, wird dadurch nicht gelöst. Dabei haben wir in Baden-Württemberg mit der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) ein Erfolgskonzept, das zu nachweislich weniger Inanspruchnahmen der Notdienste führt. Anstatt in bereits bestehende funktionierende Strukturen zu investieren und eine sinnvolle Steuerung der Patientenströme durch die niedergelassenen Ärzt:innen zu fördern, versucht man Routineversorgung 24/7 verfügbar zu machen.

Es wird deutlich, dass die Reformen aus den Kliniken heraus gedacht sind und die Kosten in den ambulanten Sektor verschoben werden sollen. In einem Positionspapier des Landkreistags Baden-Württemberg werden nun bereits Kliniken des Levels 1i in der Zuständigkeit der Kassenärzt:innen gesehen. Was nach wie vor fehlt, ist eine Strategie, um die ambulante Versorgung zu stärken. Durch eine konsequente Reformierung der hausärztlichen Notfalldienste konnte eine Normalisierung der Belastung von Hausärzt:innen in Baden-Württemberg erreicht werden, wodurch die hausärztliche Versorgung wieder an Attraktivität gewonnen hat. Der Vorschlag der Kommission würde diese Anstrengungen zunichtemachen.

Diese Reformpläne gilt es zu verhindern und die Expertise von uns Hausärzt:innen muss in die Reformen einbezogen werden, wenn sich diese auf die hausärztliche Versorgung auswirken. Gemeinsam sollten wir an einer sektorenverbindenden Notfall- und Akutversorgung arbeiten, die auch eine qualitativ hochwertige hausärztliche Versorgung sicherstellt.“

Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth,
Vorsitzende Hausärzteverband Baden-Württemberg

Dr. Susanne Bublitz,
Vorsitzende Hausärzteverband Baden-Württemberg
 

Musterbriefvorlage

Wir möchten mit Politiker:innen dazu in den Austausch kommen, dass eine 24/7-Routineversorgung weder möglich noch sinnvoll ist und alle Reformen, die uns Hausärzt:innen in irgendeiner Form betreffen, auch von uns mitgestaltet werden müssen. Hiefür haben wir einen Musterbrief vorbereitet, den Sie gerne an die gewählten Landes- und Bundespolitiker:innen in Ihrer Region schicken können. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung.

-> Vorlage Musterbrief
-> Vorlage Musterbrief kurz

Weitere Informationen

-> Pressemitteilung des HÄV BW zur Krankenhausreform
-> Vorschlag der Expertenkommission zur Reform der Notdienste

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