24. März 2023

Gemeinsam stark: Teampraxen als Zukunftskonzept

Nur mit guten Delegationskonzepten und starken Teampraxen können Hausärzt:innen den Herausforderungen der Zukunft begegnen und die ambulante Versorgung sicherstellen. Zu diesem Schluss kamen die Podiumsgäste unseres zweiten berufspolitischen Panels vor voll besetzen Reihen im Rahmen des 21. Baden-Württembergischen Hausärztetags.
 

Prof. Dr. Nadja Mayer-Wingert, Professorin für Gesundheit und Soziales an der FOM Hochschule und Studiengangsleitung "Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement", führte mit einem Impulsvortrag auf das Thema Teampraxis hin. "Wie wird aus einer Hausarztpraxis eine starke Teampraxis?" Mit dieser Fragestellung leitete die Professorin in das Thema ein. Neben einer hohen Autonomie und Selbstbestimmung spielt auch eine große Anforderungsvielfalt und die Ganzheitlichkeit in Hausarztpraxen auf die Motivation und auf eine starke Teampraxis ein, so Prof. Dr. Nadja Mayer-Wingert. Eine Rollenklärung sieht sie als Aufgabe, die Rollenklarheit als Chance, um in guten und zukunftsfähigen Praxisteams zu arbeiten. Zum Schluss stellte Prof. Dr. Nadja Mayer-Wingert noch den Studiengang "Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement" vor, der bereits ausgebildeten MFA oder NäPa die Übernahme Arzt-unterstützender Tätigkeiten sowie Aufgaben im Praxismanagement ermöglicht und somit in eine starke Teampraxis einzahlt.

Jan Scholz, Vorstandsvorsitzender und Chefredakteur des Ärztenachrichtendiensts, moderierte die anschließende kurzweilige Podiumsdiskussion, in der die Gäste die Dringlichkeit des Themas herausstellten. Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vorstandsvorsitzende des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, machte angesichts des akuten Hausärztemangels deutlich, wie wichtig die Delegation von Aufgaben an entsprechend geschultes Praxispersonal für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung ist: "Wir möchten eine zentrale und gestalterische Rolle in der zukünftigen Praxisgestaltung und Patientenversorgung spielen. Neue Konzepte und zukunftsfähige Strukturen für die tägliche Praxisarbeit müssen für Hausärzt:innen und ihre Praxisteams erarbeitet werden." Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth betont, dass es neue Strukturreformen bedarf, die die verfügbaren Gelder im Gesundheitssystem bestens verteilen und eine hochwertige Versorgung sicherstellen.

Der Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main und langjährige Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und in der Pflege, Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, stellte klar: "Die Hausarztpraxis der Zukunft wird – mehr denn je – eine Teampraxis sein. Sowohl in vernetzten Einzelpraxen als auch in größeren Primärversorgungszentren werde sich interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit zum Nutzen von Patient:innen sowie der Beschäftigten durchsetzen. Als kontraproduktiv bewertete er eine "professionsbezogene Des-Integration und Versäulung unterschiedlicher Akteure". Er betont, dass ein resilientes Gesundheitssystem eine wohnwortnahe Patientenversorgung benötigt und dass darin auch die Teampraxen eine zentrale Rolle spielen. Prof. Dr. Ferdinand Gerlach ergänzt, dass in Deutschland so viele Ärzt:innen tätig seien, wie nie zuvor. Auch die Anzahl der Studienplätze im medizinischen Sektor sei seit Jahren steigend - eigentlich ideale Voraussetzungen für eine sehr gute Gesundheitsversorgung. Auch die Einbindung von Künstlicher Intelligenz (KI) sieht Gerlach in naher Zukunft als Unterstützung in Teampraxen.

Diese Auffassung teilte auch Michael Mruck, Leiter der vdek-Landesvertretung Baden-Württemberg: "Eine moderne, strukturierte ärztliche Versorgung erfordert die Kunst der Kooperation." Inwieweit diese Vision bereits Realität sei, stellte er zur Debatte. Der Kooperationsgedanke und die Delegation von Aufgaben muss in Zukunft weiter gestärkt werden - dies ist nicht nur Thema in der hausärztlichen Versorgung, sondern auch in der Ärzteschaft der Fach- und Zahnärzte." Michael Mruck bestätigt die Aussage von Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, dass vielmehr neue und moderne Strukturen sowie Prozessoptimierungen im Gesundheitssystem geschaffen werden müssten, anstatt noch mehr Studienplätze oder Arztstellen.

Dr. Ute Leidig, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, stellte die Bedeutung einer wohnortnahen, bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung heraus. Das Land Baden-Württemberg setze sich dafür ein, zukunftsfähige Versorgungsstrukturen zu etablieren. So sei beispielsweise das Modell eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in der Rechtsform der Genossenschaft als Impuls für die Umgestaltung der ambulanten Versorgung entwickelt worden. "Nicht nur eine höhere Honorierung, sondern vor allem die Verteilung von Arbeit ermöglicht die Generierung von Mehrwerten in einer Teampraxis. Die Delegation von Aufgaben spielt dabei direkt auf die Kostensenkung in den Hausarztpraxen ein und stellt somit eine bedeutende Stellschraube dar." - so Dr. Ute Leidig.

"Wir müssen die gesundheitliche Basisversorgung jetzt für die Zukunft sichern", sagte Dr. Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe e.V. (DBfK) Vor allem die Versorgung der "vielen chronisch kranken und pflegebedürftigen Menschen" setze voraus, dass "Aufgaben sachgerecht verteilt werden und interprofessionelles Arbeiten gestärkt wird." Dr. Bernadette Klapper stellt offen die Frage, warum die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen nicht in die Hände der Pflegeberufe gegeben und somit die Teampraxis im hausärztlichen Bereich entlastet wird.

 

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